Supermarkt: Wo Kolumnistinnen zu Kriegerinnen werden


Familie
2/04/2019
„Genuss geht durch den Wagen“. Anne Vogd ist sich da nicht so sicher, denn sie fühlt sich im Supermarkt öfter mal wie im Kampfmodus.

Eigentlich liebe ich es, einkaufen zu gehen. Man sollte es allerdings vermeiden, einen Supermarkt mit knurrendem Magen zu betreten. Ich weiß das noch aus meiner Studentenzeit. Hungrig einkaufen zu gehen, ist ein bisschen wie betrunken Männer kennenlernen. Man bringt Zeug mit nach Hause, das man normalerweise weder braucht noch möchte.

Ein Supermarktbesuch erdet mich immer. Er hält mich am Boden wie der dicke Nebel am Flughafen, denn er ist der perfekte Ort für ernüchternde Beobachtungen aus der Stammeskultur des Menschen und seiner Riten. Auf dem rappelvollen Parkplatz geht es meist schon los.

Ich hasse Männer, die auf Frauenparkplätzen parken. Ein echter Prahlhans hat mir mit seiner tiefergelegten, aufgemotzten Proll-Karre den letzten freien Parkplatz weggeschnappt. Ich versuche, einigermaßen cool zu bleiben, und reagiere lediglich mit einer Standardpöbelei: „Ey, ich finde Männer wie Sie toll, die kein Problem damit haben, öffentlich zu zeigen, dass sie ein Transgender sind!“ Dann entdecke ich plötzlich einen freien Parkplatz. Das wird meiner, denke ich noch und parke schneller als mein Schatten. Doch schon während des Aussteigens höre eine junge Frau aufgebracht rufen „Hey, Sie! Das ist ein Behindertenparkplatz. Der gilt aber nicht für geistig Behinderte!“ Was für ein Stress.

Langsam, aber mit Vorsicht begebe ich mich zum Pfandautomaten: Dort hat sich eine riesige Schlange angesammelt, weil vorne eine Frau versucht, eine zerdrückte Flasche einzuführen. Die Flasche kommt immer wieder raus. Endlich kommt ihr die entscheidende Idee: Sie richtet die verbeulte Flasche und führt sie wieder ein. Der Automat akzeptiert die Flasche und – zerdrückt sie wieder. Das ist Deutschland.

Ein wenig traurig gehe ich weiter zur Gemüseabteilung: Während die Eltern sich beim Marktleiter über das völlig unterrepräsentierte Angebot von unbelastetem Obst beschweren, leckt der Zweijährige gerade den kompletten Griff des Einkaufswagens ab. Ein anderes Kind wirft sich auf den Boden, schreit „ich will aber“ und bekommt den so erpressten Lutscher. Ich denke, das versuche ich morgen beim Finanzberater meiner Bank auch mal.

An der Kasse hat sich mittlerweile eine Schlange gebildet wie vor der Arche Noah. Da braucht man Nerven. Ich muss mich jetzt selber daran erinnern, dass die kleinen Flaschen dort keine Tester sind. Endlich bin ich dran. Jetzt ist Mut gefragt: Mein Arzt hat mir geraten, mich abwechslungsreicher zu ernähren. Also packe ich die 24 verschiedenen Sorten Schokolade aufs Band. Weil die Leute hinter mir schon gucken, drapiere ich die Tafeln unter die Ariel Packung. Auf Ariel ist immer Verlass, nicht nur in Bezug auf strahlend saubere Wäsche. Das Zehn-Kilo-Paket deckt zuverlässig alle Tafeln ab. Nach dem Scannen bemühe ich mich, die Schokolade so zügig wie möglich in meinen Korb zu packen. Dem jungen Schnösel von Kassierer bin ich damit aber immer noch nicht schnell genug. Er fängt an, die Tetris-Melodie zu summen. Eine Unverschämtheit! „Na warte, komm du mal in mein Alter“, denke ich und lasse mir von ihm nach dem Bezahlvorgang erstmal in Ruhe das Treuepunkte-System erklären.

7621-Anne-Vogd-Bubble Unsere Kolumnistin, Anne Vogd, (52), ist verheiratet und hat eine Tochter. Sie arbeitete 25 Jahre im Vertrieb einer Modefirma, wollte sich 2013 aber radikal verändern und ist seitdem als Comedian auf Karnevalssitzungen und anderen Veranstaltungen unterwegs. 2016 gewann sie den SWR3 Comedy Förderpreis. Heute schreibt sie zusätzlich Kolumnen in Tageszeitungen und ist regelmäßig im Radio zu hören. Hier finden Sie weitere Beiträge dieser Autorin.