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„Auf der Alm lebe ich ganz im Moment“

Achtsamer leben, das wünschen sich viele. Sennerin Martina Fischer hat es geschafft und mit Nina Ruge über ihr Leben auf der Alm gesprochen

Wer weniger hat, ist freier – nach diesem Motto verbringt Sennerin Martina Fischer jeden Sommer auf der Alm. Im Gespräch mit Nina Ruge verrät sie ihr Glücksgeheimnis und erzählt, warum das Wörtchen „aber“ so viele Träume zerstört.

Nina Ruge: Wenn du im September von der Alm ins Tal absteigst, was bringst du dann mit?
Martina Fischer: Licht, im übertragenen Sinne. Meine Speicher sind voll davon, denn ich habe den ganzen Sommer über so viel Energie getankt. Früher habe ich mich im Tal oft wie in eine dicke Nebelschicht eingehüllt gefühlt. Das ist nun anders.

Nina Ruge: Jetzt strahlt dein Licht also auch ins Tal?
Martina Fischer: Genau. Mein Himmel ist immer blau, auch wenn gerade ein paar Wolken zu sehen sind.

Nina Ruge: Wieso vergessen so viele Menschen, dass sie selbst die Quelle ihres Lichtes, wie du es nennst, sind?
Martina Fischer: Vermutlich, weil sie sich nicht auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Viele leben in der Vergangenheit, die sie mit negativen Erlebnissen verbinden, oder sie sehnen sich in eine Zukunft, die noch gar nicht greifbar ist. Wenn es eine Sache gibt, die ich auf der Alm gelernt habe, dann ist es, mehr im Moment zu leben. Das hilft mir auch in meinem Job als mobile Pflegekraft. Fühle ich mich mal gestresst, besinne ich mich auf das wirklich Wichtige. Und das ist in meinem Fall: Jeden meiner Patienten mindestens einmal am Tag zum Lachen bringen.


Nina Ruge: Glück zu verschenken, macht also auch glücklich.
Martina Fischer: Ja, und das kann ich heute viel besser, weil ich liebevoller mit mir selbst umgehe.

Nina Ruge: Wie hast du das gelernt?
Martina Fischer: Das enge Zusammenleben mit den Tieren hat mich weich gemacht. Die Kommunikation mit ihnen ist etwas total Tolles! Sie merken immer genau, wie es mir geht und halten mir den Spiegel vor. Daraus ziehe ich viel Kraft und Sicherheit, die ich gerne mit anderen teilen möchte. Nicht nur mit meinen Patienten, sondern auch mit den Lesern meiner Bücher. Und mit den Menschen, die zu meinen Vorträgen kommen. Es macht mich unfassbar glücklich, wenn ich ihnen ein bisschen was von meinem Licht abgeben kann.

Nina Ruge: Und wie schafft man es nun, dieses Licht in sich selbst zum Leuchten zu bringen?
Martina Fischer: Dafür ist Dankbarkeit extrem wichtig. Sie ist eine Grundvoraussetzung für ein glückliches Leben und fängt schon bei kleinen Dingen an. Oft hilft es, den Tag Revue passieren zu lassen und sich bewusst zu fragen: Wofür bin ich heute dankbar?

Nina Ruge: Stichwort Dankbarkeit: Weißt du dank des einfachen Almlebens, den modernen Lebensstandard mehr zu schätzen?
Martina Fischer: Ja, aber grundsätzlich gilt natürlich auch: Wer mehr besitzt, ist automatisch unfreier. Schließlich will der ganze Luxus ja auch irgendwie gepflegt werden. Für mich persönlich ist die Kombination aus beiden Welten – das Leben im Tal mit all seinen Annehmlichkeiten und das spartanische, aber freie Almleben – perfekt. Beides zu lieben, widerspricht sich in meinen Augen überhaupt nicht, auch wenn viele das denken. Überhaupt haben so etliche Menschen ständig ein „aber“ im Kopf. Sie denken sich „ich würde mir ja meinen Traum erfüllen, aber…“ – und futsch ist der Traum. Wie schade!

Nina Ruge: Was glaubst du, woher diese Zweifel kommen?
Martina Fischer: Oft liegt es an der Angst, Sicherheit aufzugeben. Das musste auch ich erst lernen. Heute lautet mein Motto jedoch: „Wo die Angst ist, geht es lang“. Denn nur wer seine Komfortzone verlässt, kann auch Neues entdecken.

Sennerin Martina Fischer steht in Jeansshorts auf der Terrasse ihrer Alm. Im Hintergrund sind hohe Berge und Nadelwald zu sehen.

Wer weniger hat, ist freier - unter diesem Motto verbringt Sennerin Martina Fischer jeden Sommer auf der Alm.


Nina Ruge: Das
hast du gerade erst wieder selbst erlebt und dich von deinem Mann getrennt.
Martina Fischer: Dabei hat es das in meiner Familie noch nie gegeben! 25 Jahre lang habe ich eine harmonische Ehe geführt. Unsere Trennung ist auch sicher nicht die Schuld meines Mannes. Er hat mich nie eingeengt, mich jeden Sommer auf die Alm ziehen lassen. Er ist ein toller Mensch und ich möchte keinen Tag mit ihm missen. Ich glaube bloß, dass wir nicht dafür bestimmt sind, unser ganzes Leben mit einer einzigen Person zu teilen.

Nina Ruge: Du hast dich also neu verliebt?
Martina Fischer: Ja, in den Senner einer Nachbaralm.

Nina Ruge: So ein Zufall!
Martina Fischer: Vielleicht, aber um es mit dem französischen Chemiker Louis Pasteur zu sagen: „Der Zufall trifft nur einen vorbereiteten Geist.“ Meine Ehe hat sich schon länger nach Stillstand angefühlt. Mit meinem neuen Partner kann ich nun wieder wachsen.

Nina Ruge: Inwiefern?
Martina Fischer: Ich kann alle meine Emotionen voll und ganz ausleben und er nimmt mich wie ich bin. Er ist ein sehr freier, unabhängiger Geist und das bin ich jetzt auch. Ich habe viel weniger Angst als früher.

Nina Ruge: Wie haben die Menschen in deinem Umfeld im Chiemgau auf die Trennung reagiert?
Martina Fischer: Sie waren zwar traurig, haben mich jedoch nicht verurteilt und stehen weiter hinter mir. Und das ist auch richtig so, finde ich. Die Menschen sollen mich so nehmen, wie ich bin. Auch wenn ich Fehler mache. Denn Fehler zu machen, ist in Ordnung. Ich würde sogar sagen: Nur sie bringen einen wirklich weiter. Wenn man das erst einmal verinnerlicht hat, fühlt man sich gleich viel freier.

Nina Ruge: Freiheit ist also etwas, das man in sich selbst finden muss.
Martina Fischer: Genau, mich haben immer die Menschen gewundert, die so viel reisen und das große Glück im Ausland suchen.

Nina Ruge: Dafür hast du deine Alm.
Martina Fischer: Stimmt, ohne sie wäre ich heute nicht dort, wo ich bin. Ich glaube fest daran, dass es eine höhere Macht gibt, die mir da oben zur Seite steht und mich leitet. Ob man sie nun „Gott“ oder „Energie“ nennt, ist ja erst mal egal. Ohne meine geistigen Helfer, die ich auf der Alm jeden Tag spüre, würde ich nicht zurechtkommen.

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