Fashion, Freaks und falsche Fummel – ich brauche einen Personal Shopper!


Beauty
13/11/2019
In einem wahren Tempel der Trends fragt sich Anne Vogd: Styleguide oder Stildilemma – wo bin ich hier eigentlich gelandet?

Große Ereignisse verlangen nach einer großen Robe: Das Firmenjubiläum steht an. Da kann ich nicht mit meiner ollen Jogginghose hin, die seit Jahren nach 17 Uhr mein Zuhause ist. Ich liebe diese Hose wirklich so sehr, dass ich sie sofort vermisse, wenn sie mal in der Waschmaschine ist. Ab und an muss es aber sein: Erstens, weil sie danach dank eines Zaubermittels namens Lenor duftet, als hätte ich damit in einer Blumenwiese gesessen und nicht auf meinem verratzten Sofa. Und zweitens, weil sie dann mal wieder weiß, was Bewegung heißt.

Nächste Woche ist es so weit: Vom Pförtner, über die Abteilungsleiter bis hin zur Quotenfrau aus dem Vorstand, alle werden da sein. „Dress to impress“ ist angesagt. Dieses Mal will ich von der Pole Position aus starten – „from zero to hero“, jawohl! Aber wie … für jemanden wie mich, ohne ernstzunehmenden Eigengeschmack?

Die Antwort: Ein Personal Shopper muss her! Nicht ganz billig, aber was soll’s. Wir verabredeten uns in einem wahren Designtempel, in dem eine wohlig-heimelige Größe 42 für Trostpreiskörper wie meinen nur auf explizite Anfrage verschämt „von hinten“ geholt wird.

Die Personal Shopperin schritt mit mir die Ärmelparaden ab. Wir sahen nebeneinander aus wie ein Flusspferd und ein Seepferdchen. Das Size-Zero-Püppchen präsentierte mir Kleidchen, die zeigten, was sie verhüllten: transparent, fließend, geschmacklos. So etwas hätte ich niemals auf dem Firmenjubiläum tragen können. Bei meinem Anblick hätten Männer wie unser Buchhalter gedacht, ich würde nebenbei noch für einen Escortservice arbeiten und käme gerade von einem Termin. Dann griff die Personal Shopperin gezielt nach einem glänzenden Jumpsuit – Schimmer geht immer! Aber Vorsicht, alte Regel: Wo viel funkelt und blitzt, wird auch kräftig geschwitzt. Dann vielleicht doch lieber der unerhört kurze Rock mit einem Jumbo Sweater? Der Trend nennt sich „Oversize“. Aha … „Sackgasse“ würde den Look an mir besser beschreiben.  

Ich bin einfach kein Typ für dieses kurzlebige, textile Junkfood. Die heißen Kartoffeln von heute sind die kalten Pommes von morgen. „Geschmack ist eine Frage des Informiertseins“, lernte ich. „Okay“, dachte ich, „versteh‘ ich, akzeptier‘ ich, find‘ ich aber trotzdem blöd.“ Daraufhin lotste mich das menschgewordene Knäckebrot zu den Vintage-Kollektionen. „Vintage“ heißt, man kauft alte Sachen, die teurer sind als neue. Eine Tunika, senffarben, mit Fransen und Quasten – ich fühlte mich auf Anhieb wie die Stehlampe in Omas guter Stubb.

„Ein textiles Verhütungsmittel“, war mein erster Gedanke. Aber das Seepferdchen hielt dagegen: „Ein absolutes It-Piece, ein Must-have in dieser Saison“, flötete sie unbeeindruckt von meiner Reaktion. Sie fand offensichtlich, dass Ehrlichkeit eher etwas fürs Sterbebett ist und überhäufte mich lieber mit Komplimenten. Beim Blick in den Spiegel fragte ich mich allen Ernstes: Spielen wir etwa gerade „Ich sehe was, was du nicht siehst?“

In keiner Klamotte sah ich aus wie eine Königin, eher wie ein Aschenputtel. Aber gut, auch okay. Aschenputtel ist ja bekanntlich der Beweis dafür, dass ein neues Paar Schuhe dein Leben auch verändern kann. Mal sehen, wer auf der Firmenfeier mein Prinz wird ...

7579-Anne-Vogd-BubbleUnsere Kolumnistin, Anne Vogd, (52), ist verheiratet und hat eine Tochter. Sie arbeitete 25 Jahre im Vertrieb einer Modefirma, wollte sich 2013 aber radikal verändern und ist seitdem als Comedian auf Karnevalssitzungen und anderen Veranstaltungen unterwegs. 2016 gewann sie den SWR3 Comedy Förderpreis. Heute schreibt sie zusätzlich Kolumnen in Tageszeitungen und ist regelmäßig im Radio zu hören. 

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