Einfach Anne: Geduld im Weihnachtsmarktgedränge


Familie
13/11/2019
Bald beginnt der Showdown bis zum Fest. Diese Zeit bietet viel Stoff für Zoff. Psychologische Beratung und pädagogische Kompetenz sind da unverzichtbar, findet Anne Vogd.

Ein tot sicheres Zeichen, dass es bald wieder so weit ist, wäre jetzt ein eiskalter Nordostwind, bei dem man sich genau überlegen müsste, mit welchem Gesichtsausdruck man rausgeht – denn eventuell bleibt der dann so …. Oder ein hartnäckiger Bodenfrost, bei dem man aufpassen müsste, dass beim Hochheben des Chihuahuas nicht noch ein Kanaldeckel dranhängt. Das wäre dann endlich mal wieder ein Winter, der auf eine angemessene Schneeproduktion hoffen ließe. Aber wer weiß. Vielleicht ändert Frau Holle nochmal ihre Meinung und entscheidet sich in letzter Minute doch noch für fieses Schmuddelwetter. Dann plagt man sich wieder wochenlang mit der Frage rum: Was soll ich für Weihnachten kaufen? Eine Tanne oder eine Palme. 

Und „nachhaltig“ soll es auch noch sein …

Nicht der einzige Stressfaktor in dieser Zeit. Mein Mann und ich geraten in diesen Wochen oft aneinander. Auch wegen des Baumes: Während er für uns einen der 30 Millionen Weihnachtsbäume aus irgendeiner sauerländischen Massenbaumhaltung immer unter nüchternen Kosten-Nutzen- Aspekten auswählt, träume ich von einer glücklichen, freilaufenden Bio-Tanne. Vom Gardemaß her würde die eher ins Oktogon des Aachener Kaiserdoms passen als in ein Wohnzimmer mit einer der Landesbauordnung gehorchenden Deckenhöhe von lichten zwei Meter vierzig. 

Der private Stresspegel im Wartezimmer vor der Weihnacht steigt dann noch mehr, wenn ich den Dachboden entrümpele und den ganzen Plunder in der Wohnung verteile – wie mein Mann das Dekorieren nennt. Und nicht nur da. Unser Garten ist jetzt ab 17 Uhr so illuminiert, dass wir täglich mit einem Landeversuch eines Airbus 380 rechnen. Apropos Airbus – Reise-Ideen für Romantiker und Entdecker finden Sie hier.

Der Weihnachtsmarkt als Zufluchtsort

Da genießt man doch gerne mal fernab vom familiären Heim ein paar unbeschwerte Stunden mit Freundinnen auf dem Weihnachtsmarkt. Schon von Weitem höre ich die üblichen Verdächtigen durch die Lautsprecher scheppern: „Wer ist eigentlich diese Mary Kristmas“, fragte ich meine Freundin Marion, die schulterzuckend antwortet: „Vermutlich die Frau vom Lars. Dem hat man doch auch ein eigenes Lied gewidmet“. Ich korrigiere: „Der Titel heißt nicht Lars sondern Last Christmas und wurde 1984 von Wham erstmals veröffentlicht“. Man hört ihn im Radio tatsächlich rauf und runter. Was ja auch in diesen Wochen okay ist, aber als ich ihn letzten Sonntag aus den gekippten Fenstern des Seniorenheims am Stadtplatz herausschallen hörte, fand ich das dann doch etwas geschmacklos – wegen des „Last“ … 

Wir erreichen den Aachener Weihnachtsmarkt. Ein Highlight auch für Besucher aus den angrenzenden Nachbarländern. Dementsprechend voll ist es. Besonders lang ist die Schlange vor den Toiletten. Vor dem „H“ für Holländer stehen schon viele, aber vor dem „D“ für Deutsche noch mehr. 

Alle Jahre wieder …

Ein Besuch läuft immer nach dem gleichen Schema ab. Zuerst denkt man immer: „Wie schön, endlich wieder Weihnachtsmarkt“. Danach: „Wow, 5 Euro für einen Glühwein und 6 Euro für eine vegane Currywurst“. Und nach einer halben Stunde möchte man dem nächsten, der einen mit heißem Glühwein auf den Namen Oh-sorry-war-keine-Absicht tauft, nur noch eine reinhauen. Möchte man? Ich nicht, denn ich weiß zu diesem Zeitpunkt bereits, dass solche Malheurs für mein Ariel Vollwaschmittel Flüssig mit der Frische von Febreze überhaupt kein Problem sind. Insofern ist Entspannung angesagt und ich trinke lieber noch einen Glühwein oder swei Glühwei oder rei Lühwei … Also manchmal sogar so viele, dass ich irgendwann Beutel und Hüte aus Filz als Winteraccessoire für unverzichtbar halte. 

 

Anne-VogtUnsere Kolumnistin, Anne Vogd (52), ist verheiratet und hat eine Tochter. Sie arbeitete 25 Jahre im Vertrieb einer Modefirma, wollte sich 2013 aber radikal verändern und ist seitdem als Comedian auf Karnevalssitzungen und anderen Veranstaltungen unterwegs. 2016 gewann sie den SWR3 Comedy Förderpreis. Heute schreibt sie zusätzlich Kolumnen in Tageszeitungen und ist regelmäßig im Radio zu hören. Hier finden Sie weitere Beiträge dieser Autorin.