Bildung – "Stück zum Glück"


Familie
13/11/2019
Es ist 9 Uhr morgens und die Jungen im Kinderschutzhaus haben ihre morgendliche Versammlung beendet. Vor dem Gebäude wird jeden Tag – wie in jeder Schule in Bangladesch – die Landesfahne gehisst, dann wird geturnt und Bekanntmachungen für den Tag werden verkündet. Jetzt strömen alle wieder ins Haus, denn der Unterricht beginnt. Im gleichen Haus, in dem sie auch wohnen, ein Stockwerk über den Schlafräumen.

Niemand trödelt, fast alle wollen lernen. Besonders die großen Jungen haben verstanden, wie wichtig Schule für sie ist. Die kleineren oder neuen Jungen vermissen oft in den ersten Wochen noch die Freiheit und Unabhängigkeit des Lebens auf der Straße, aber die Lehrer sind geschult in Geduld und Hartnäckigkeit. Bei den Sieben- bis Neunjährigen steht in der ersten Stunde Englisch auf dem Stundenplan.

Die Jungen lernen, wie in jeder Schule, erst einmal Schreiben, Rechnen und Lesen. „Bildung ist für jeden Menschen wichtig“, erklärt Lehrerin Tasrin Sultana, „aber besonders für Straßenkinder hier in Bangladesch, ist Bildung eines der notwendigsten Dinge, die man ihnen mitgeben kann. Bildung gibt ihnen einen Lichtblick und eine bessere Zukunft. Schulbildung steigert das Selbstbewusstsein und die eigene Identität entwickelt sich ganz anders. Bildung ist die Voraussetzung für ein besseres Leben.“

Tasrin Sultana hat schnell verstanden, dass es kein normaler Lehrerjob ist, diese ehemaligen Straßenkinder zu unterrichten. „Gerade am Anfang war es sehr schwierig für mich hier zu arbeiten. Mich haben die traurigen Schicksale der Kinder sehr mitgenommen“, sagt sie. „Ich habe versucht meine Aufgabe als Herausforderung zu sehen und so vielen Kindern wie möglich Aufmerksamkeit, Liebe und Wärme zu geben. Ich bin gern bei den Kindern, sie sind meine Familie.“
Die Kinder honorieren das und folgen jedem Wort der Lehrerin begeistert.

7272-artikelFür den siebenjährigen Maruf ist Tasrin Sultana ein großes Vorbild: „Ich mag meine Lehrerin sehr, da sie sehr freundlich ist und uns gut behandelt. Ich möchte später auch Lehrer werden. So ein guter Lehrer wie sie es ist.“ Und auch der neunjährige Islam mag die geduldige, immer gut gelaunte Lehrerin. „Sie ist immer sehr freundlich zu uns. Englisch ist sehr schwierig für uns, aber sie bringt es uns so bei, dass wir es verstehen.“

Letzte Stunde: Kunst. Dieses Fach hat einen wichtigen Stellenwert im Tagesablauf. Oft können die Kinder durch das Malen ihre Traumata verarbeiten und ihre Sorgen besser ausdrücken als in Worten. Alle sind mit Begeisterung dabei.
Nazma Khatun, die Lehrerin, fasst am Ende des Schultages zusammen, was alle Lehrer hier denken: „Ich fühle mich hier sehr wohl. Dieser Ort ist mir sehr ans Herz gewachsen. Es ist wirklich mehr als nur ein Job.“

Schule und Bildung sind für diese Kinder eine wichtige Säule im neuen Leben, ein Schritt in eine sichere Zukunft. Ein großes Stück zum Glück.