Eine Dame (fr)isst sich durch


Gesundheit & Wellness
13/11/2019
Wie fühlt es sich an, sich einen Monat von anderen einladen zu lassen? Unsere for me-Autorin hat es ausprobiert und macht den Test bei ihren Freunden.

Zuerst möchte ich betonen, dass ich kein Mensch bin, der sich gern aushalten lässt. Ich habe einen guten Job, bin Single und kann wunderbar für mich selbst kochen. Aber wie das so ist im Leben – wieso soll man nicht einmal das aufgeben, was einen bislang am meisten gestützt hat? Die Kontrolle! Das hielt auch die Redaktion von for me für eine prima Idee und nun stecke ich mittendrin im Selbstversuch.

Am Morgen von Tag eins starre ich auf mein Müsli mit den Erdbeeren und denke mir, dass ich mich unmöglich bei allen Mahlzeiten bei meinen Freunden durchessen kann. Das ist mir zu anstrengend. Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag erbaut – allerdings wurde es in Blitzgeschwindigkeit von Kaiser Nero niedergebrannt. Na ja, egal. Ich beschließe, mich nur bei den Hauptmahlzeiten durchzumogeln.


Meine Freunde wissen nichts vom Plan

Um meinen Plan zu erschweren, haben die Redaktion und ich beschlossen, dass meine Freunde nichts von dem Vorhaben wissen dürfen. Daher schreibe ich auch unauffällig meine erste What’sApp an die liebe Katja, die ich schon seit der Grundschule kenne: „Hey, wir haben uns lange nicht mehr gesehen! Soll ich heute Abend vorbeikommen?“ Zehn Minuten später läuft schon die Antwort ein. „Yes. Ich mache uns etwas zu essen.“ Verrückt, es geht so einfach.

Also genieße ich gleich am ersten Abend ein wunderbares Mahl: Rührei, Avocado und kleine Hähnchenfilets. Lecker! Weil alles so praktisch ist, frage ich bei der Abschiedsumarmung, ob ich am nächsten Tag wieder vorbeischauen darf. Ich darf. Hurra!

Tag zwei, Durchessen zwei. Dieses Mal bekomme ich Risotto mit grünem Spargel serviert. Nie im Leben hätte ich das so gut hinbekommen. Allerdings bleibt mir beim letzten Bissen etwas in der Kehle hängen: „Ach Susanne, sag mal, wann sollen wir mal wieder bei DIR essen?“ Oops. Ich lächle. „Sehr bald, sehr bald.“


Hilfe, eine Freundin sagt spontan ab

Auf dem Rückweg überlege ich, dass ich einen neuen Plan brauche. Es wäre auch zu einfach gewesen, sich bei der Freundin mit den besten Kochkünsten einen Monat lang unauffällig durchzuessen.

Ich schreibe gleich eine Nachricht an meine nächste Freundin und lege mich hoffnungsvoll ins Bett. Das Glück ist mir hold, denn am Morgen lese ich die Zusage. Der Test flutscht ja richtig! Mir fällt sofort ein Kalenderspruch ein: „Das Leben trägt dich schon!“ Ich bin beseelt.

Als ich am Abend endlich aufbrechen will, hängt mir der Magen schon in den Kniekehlen. Leider ist man immer so spät bei Freunden verabredet ... Ich öffne die Tür und höre, dass mein Handy brummt. Es ist eine Nachricht von meiner Verabredung. „Es tut mir leid, ich komme nicht aus dem Büro! Sorry! Können wir unser Essen schieben?“ WHAT! Nein! Was soll ich nur tun? Ich kann ihr schließlich unmöglich schreiben, dass mein Energiehaushalt von ihrer Einladung abhängt. Völlig überfordert lege ich mich am Ende mit Knäckebrot ins Bett. Mein Magen knurrt mich in den Schlaf.


Im Restaurant „vergesse“ ich mein Portemonnaie

Am nächsten Tag schreibe ich mir die Finger wund, aber keiner meiner Freunde hat Zeit. Das geht nicht! Wie soll ich überleben? Nur von Müsli und Knäckebrot? Ich bin verzweifelt und muss zur Not-Not-Maßnahme greifen. Diesen Abend gibt’s Essen bei Mutti.

Glücklicherweise zahlt sich meine Nachrichten-Aktion am nächsten Tag aus und ich habe eine neue Verabredung, allerdings ins Restaurant. Da ich weiterhin nichts von meiner geheimen Aktion erzählen darf, tue ich einfach so, als hätte ich mein Portemonnaie vergessen. Das klappt im Prinzip auch, bis mein guter Freund und alter Kollege Jens plötzlich sagt: „Kein Problem. Du kannst mir das Geld auch überweisen.“ Ich nicke. Mist!


Meine Kraft ist aufgebraucht

Später im Bett schlägt die Sinnkrise paukenschlagmäßig zu. Ich halte es einfach nicht mehr aus! Unmöglich kann ich die restlichen Tage bei Freunden anrufen und heimlich um Essen bitten. Schließlich habe ich nicht unendlich viele Bekannte in der Stadt. Ach Mensch, einmal loszulassen und von anderen versorgt zu werden, ist gar nicht so leicht. Ich beschließe schon an Tag fünf, dass mein Projekt gescheitert ist. Aber ich bin trotzdem stolz. Ich habe mich getraut, etwas zu wagen, was mir bislang unmöglich erschien. Als Dank schreibe ich eine SMS an all meine Freunde und lade sie zum großen Schmaus bei mir ein.  

Autor: Susanne Sundstieg